<Teil 3

Persönliche Erfahrungen mit MG, Teil 4

Rückkehr

5 Tage sind schneller vorbei als man glaubt.  Ich musste also wieder in die Klinik. Jeder kann sich vorstellen mit welcher Freude... Aber es musste sein, auch deshalb, weil ich bei weitem noch nicht gesund war. Ich musste mich allerdings noch moralisch darauf einstellen. In der Klinik angekommen teilte mir ein Arzt mit, dass ich natürlich nicht mehr auf die Intensivstation aufgenommen werden würde, sondern auf die Normalstation wechseln sollte. Ich war davon erstaunlicherweise nicht sehr begeistert, ich hatte mich nämlich auf der Intensivstation total gut eingelebt, fühlte mich fast wie zu Hause.

Wechsel auf die Normalstation

Nachdem ich ca. 2 Stunden im Hausgang vor der Intensivstation mit Warten verbracht hatte, teilte man mir mit, dass auf der Normalstation ein Bett für mich reserviert sei. Also nichts wie hin. Ich bekam ein Bett in einem Dreibettzimmer. An diesem Tag war ich moralisch am Boden, die ganze Situation war neu, ich kannte keine Schwester, keinen Pfleger, nur einige Ärzte kannte ich von ihren Wochenenddiensten auf der Neuro-Intensiv. Es dauerte also ein paar Tage bis ich mich an die neue Umgebung und an meine Zimmerkollegen gewöhnte. Es sollte sich aber schlussendlich herausstellen, dass ich sehr viel Spaß in diesem Zimmer hatte, besonders mit Gustl. Es war genau der 27. Dezember und ich wäre gerne über Silvester wieder nach Hause gefahren. Also fragte ich gleich bei der ersten Visite ob ich über Silvester nochmals nach Hause fahren könne, da es sich wieder um ein Wochenende handelte.

Bereits am ersten Tag nach Wiederaufnahme begannen gründliche Untersuchungen und es wurde die Therapie mit Imurek begonnen – 150 mg/d. Die weiteren Tage verliefen diesbezüglich eher im gleichen Trott. Zu erwähnen ist auf jeden Fall die Unterhaltung mit Gustl. Unter anderem erlaubte er sich mitten in der Nacht folgende Einlage zu liefern: Gegen vier Uhr früh kam die Nachtschwester in unser Zimmer und ging zu Gustl. Ich weiß nicht ob er sie gerufen hatte oder ob sie eine Routinekontrolle durchführte. Auf jeden Fall sprachen die beiden ein Paar Worte miteinander. Gustl’s Bett war am Fenster, am Ende des Zimmers. Als die Schwester gerade wieder unser Zimmer verlassen wollte, bereits die Türklinke in der Hand hielt, rief Gustl sie zurück. „Schwester, Schwester ......“  „Ja bitte, was brauchen Sie?“ Darauf Gustl: „Lass dich nicht aufhalten“  ............ und das ganze um vier Uhr in der Nacht.

Es kam der Tag, an dem Gustl die Klinik verlassen sollte. Auch für mich war es an der Zeit an die Heimreise zu denken. Was die weitere Therapie anbelangte, bedurfte es der Absprache mit den Ärzten. Daraufhin lag der Heimreise nichts mehr im Wege. Ich selbst glaubte, dass ich für ca. 3-4 Wochen nach Hause gehen dürfte, ich war aber total überrascht, als mir die Ärzte eine Pause bis Mitte März vorschlugen. Die stationäre Wiederaufnahme wurde somit mit 15. März geplant. Diesmal holte mich meine Frau mit unserem Privatauto, da ich ohne weiteres imstande war für einige Zeit ohne Absauggerät auszukommen.  

Heimurlaub

Am 22. Jänner kam ich also zu Hause an. Gesundheitlich ging es mir jeden Tag besser. Meine Frau hatte inzwischen verschiedene Naturheilmittel organisiert. Ich ging jeden Tag spazieren, steigerte die Anstrengung. Ich spürte wie meine Muskelkraft und meine Kondition zunahmen. Ich fühlte mich körperlich so gut, dass ich beschloss mit meiner Frau Schi fahren zu gehen.

Das Skifahren  mit PEG-Sonde und Tracheostoma war recht anstrengend zumal ich ja auch doppelt sah. Ich musste mir ein Auge zu und eines aufkleben, ich habe es allerdings geschafft und war sehr stolz darauf. Die Anstrengung spürte ich zwar noch ein paar Tage, aber die Freude über den Erfolg ließ mich das vergessen. Nachdem ich nun den ganzen Tag zu Hause war, hatte ich jede Menge Zeit für meine Kinder. Anfangs mussten sie sich erst wieder an mich gewöhnen, zu lange war ich im Krankenhaus. Meine Rückkehr in die Klinik rückte näher und ich beschloss rechtzeitig abzuklären ob alles in Ordnung sei. Es stellte sich aber heraus, dass man in der Klinik vergessen hatte meinen Termin festzuhalten, daher wurde meine Wiederaufnahme auf den 4. April verschoben.

Diesmal war mir die stationäre Aufnahme wichtig, da verschiedene Dinge abzuklären waren. In letzter Zeit machten sich starke Nebenerscheinungen von Cortison bemerkbar. Meine Haut wurde sehr dünn, ich bekam im Gesicht und am ganzen Oberkörper Akne. Außerdem war kaum eine Wirkung von Imurek nachweisbar. Mir lag sehr viel daran abzuklären ob es sinnvoll ist, weiterhin mit Imurek zu fahren, obwohl die Nebenwirkungen gravierend sind.

Stationäre Wiederaufnahme

Der Aufenthalt in der Klinik war diesmal auf genau eine Woche begrenzt. Ich hatte allerdings ein volles Programm zu absolvieren. Ich wollte die Atmungskanüle und die Peg – Sonde loswerden, da ich beide nicht mehr brauchte. Aus diesem Grunde wurde noch mal ein Termin auf der HSS-Station vereinbart. Dabei musste ich wieder Schluckversuche machen, die von der Ärztin über die Kamera beobachtet wurden. Es stellte sich heraus, dass es ohne weiteres möglich war die Kanüle zu entfernen. Das Tracheostoma  wurde nur abgedeckt und sollte ohne zu nähen zuheilen. Auch bei der Entfernung der Peg – Sonde wurde mir eine Kamera wie bei einer Gastroskopie eingeführt – war nicht sehr angenehm. Inzwischen war ich also total "schlauchlos". Dies mag komisch klingen, wenn man aber an so vielen Schläuchen gehangen hat wie ich, dann kann man vielleicht verstehen, dass es wie eine Erlösung wirkt, wenn keine Schläuche mehr aus dem Körper herauskommen. In meiner „schlauchigsten“ Zeit bin ich mir vorgekommen wie ein Haufen Medikamente aus dem ringsum Schläuche herauskommen.

Die weiteren Termine waren: Onkologie, Kardiosonographie, Röntgen, Thorax-CT ...... usw. alle Befunde erwiesen sich als gut.  Während eines Gesprächs mit meinem Neurologen wurde festgelegt die Therapie neuerlich zu ändern. Einerseits wurde die Dosis Cortison auf 10/20 mg alternierend abgesenkt und gleichzeitig die Dosis Imurek auf 175 mg/d erhöht.  Leider konnte auch während dieses stationären Aufenthaltes nicht geklärt werden wann und ob überhaupt meine Diplopie in den Griff zu kriegen ist.  Es bleibt also weiterhin abzuwarten bis die angewandte Therapie voll zu wirken beginnt.

Nach einer Woche fuhr ich also nach Hause.  

Zu Hause war ich weiterhin im Krankenstand, zumindest bis mein Tracheostoma zugewachsen war. Leider stellte sich aber heraus, dass dies länger dauern würde als vorgesehen. Am 13. Mai habe ich nach 8 ½ Monaten wieder angefangen zu arbeiten, obwohl ich noch doppelt sah und auch sonst noch nicht völlig gesund war.  Ich konnte aus diesem Grunde auch weiterhin nicht Auto oder Rad fahren. Ich wurde schon noch sehr müde, wenn ich den ganzen Tag arbeitete, besonders dann, wenn ich viel reden musste. Mein Zustand war nicht stabil, sondern änderte sich ständig. Es gab Tage an denen es mir recht gut ging, es gab aber auch solche, an denen es mir nicht gut ging. Ich spürte alle möglichen Einflüsse wie Wetter, Anstrengung usw...

Kontrollvisite

Für 15. Juli 2002 war eine Kontrollvisite angesetzt. Ich bereitete meine Arbeitsstelle darauf vor, dass ich höchstens zwei, maximal drei Tage fehlen würde. Es sollte aber anders kommen als geplant. In der Klinik in Innsbruck wurden sofort die üblichen Kontrollen veranlasst wie Toraxröntgen, Torax-CT usw.. Am Abend nach diesen Untersuchungen kam ganz unerwartet ein Arzt in mein Zimmer um mir zu sagen, dass er eine sehr unerfreuliche Nachricht für mich habe. Leider habe man beim der Torax-CT neuerlich etwas entdeckt, das genauer untersucht werden müsse und das verdächtig nach einem tumorartigen Gebilde aussehe. Es kam mir vor als hätte er mir ins Gesicht geschlagen. Nach meiner ganzen Geschichte, von der ich gehofft hatte sie endlich einigermaßen überstanden zu haben, wieder so ein Rückschlag. Ich konnte es nicht glauben. Sofort rief ich meine Frau an um ihr diese Nachricht mitzuteilen, ich war eine Zeit lang fix und fertig. Aber irgendwie konnte ich nicht daran glauben, dass in der Zone, die voll bestrahlt worden war, wiederum Tumorgewebe festzustellen sei. Auf jeden Fall schlug der Arzt eine Bronchoskopie mit eventueller Biopsie vor. Dieser Termin wurde für den nächsten Tag vereinbart.

Bronchoskopie

Ich wurde von einem Pfleger zur Untersuchung gebracht. Ich musste erstaunlicherweise auch nicht lange warten. Zur Vorbereitung der Untersuchung musste ich für 10 Minuten irgendein Betäubungsmittel inhalieren. Die Schwester erklärte mir kurz den Vorgang. Als der Arzt kam, schlug ich vor, die Untersuchung wenn möglich über das Tracheostoma zu machen, da dieses immer noch nicht zugewachsen war. Es stellte sich heraus, dass dies nicht möglich war, da das Stoma schon zu klein für das Bronchoskop war. Also führte der Arzt das Bronchoskop über die Nase ein. Ich saß während der Untersuchung auf einem Rollstuhl in einer sehr unbequemen Lage. Während der Arzt versuchte mit dem Gerät die Luftröhre zu erreichen, kollabierte ich plötzlich. Alle wurden sehr nervös und brachen die Untersuchung sofort ab. Ich machte mir nicht all zu viel daraus, leider musste die Untersuchung aber in Vollnarkose wiederholt werden.

Auf diese Untersuchung musste ich ein paar Tage warten. Während dieser Zeit passierte wenig. Ich hatte daher genügend Zeit über meine Situation nachzudenken. Es gehen einem verschiedene Sachen durch den Kopf, man analysiert die Worte, die man von den Ärzten gehört hat immer wieder. Ich war aber imstande die schlimmsten Gedanken zu verdrängen und auf den Tag der Untersuchung zu warten. Ich versuchte die Ärzte davon zu überzeugen, dass ich sofort nach der Untersuchung nach Hause fahren müsse, da ich am nächsten Tag einen wichtigen Arbeitstermin habe.

Endlich die Untersuchung. Ich staune heute noch über meine Gedanken im OP. Ich betrachtete die Lampen über mir und dachte: wenn das das letzte ist, was ich sehe, dann wird es so sein müssen. Im Aufwachraum legte eine Schwester eine Krankengeschichte auf mein Bett, ich war bereits wieder so weit klar, dass ich diese in die Hand nahm und zu lesen versuchte. Erstaunlicherweise war es nicht meine, sondern die einer Frau namens ....., weiß ich nicht mehr. Fünf Stunden nach dieser Szene war ich wieder zu Hause und arbeitete im Büro. Warum handelt man so? Dadurch verdrängt man Gedanken, die zu bedrückend wären.  

Arbeiten und Training

Nach dieser Episode ging ich wieder regelmäßig meiner Arbeit nach und versuchte immer mehr ein geregeltes Leben zu führen. Leider macht man mit dieser Krankheit bei diesem Vorhaben die Rechnung ohne den Wirt, denn es gibt Tage, an denen ist an ein normales Leben nicht zu denken. An so einem Tag fällt alles schwer - gehen, schauen, sprechen, kauen, schlucken und, und, ... ich nenne diese Tage inzwischen Joghurt-Tage. Diese Bezeichnung habe ich deshalb erfunden, da ich an solchen Tagen fast nur Joghurt esse, da es leicht zu schlucken ist. Es gibt aber auch Trainingstage. Das sind solche an denen ich imstande bin meine Muskeln in Form zu bringen, ich mache dann Wanderungen, auch ins Hochgebirge, trainiere zu Hause, mache körperlich anstrengende Arbeiten. Zum Teil überanstrenge ich mich auch dabei, was ich dann einige Tage lang büßen muss. Für mich ist es allerdings sehr von Vorteil, wenn ich mich körperlich so gut wie möglich in Form bringe, da dadurch die Myastenie besser in den Griff zu bekommen ist. Man darf allerdings nicht den Mut verlieren, man muss hart zu sich selbst sein, denn gerade sportliche Betätigung ist für einen Myasteniker wie Knochenarbeit.

Einflüsse

In diesem Zusammenhang möchte ich noch verschiedene Umstände beschreiben, die mein Befinden beeinflussen. Ich bin sehr wetterfühlig geworden. Immer wenn sich die Wetterlage dramatisch verändert, so spüre ich das schon einige Tage vorher. An solchen Tagen kostet auch eine Treppe mit zehn Stufen bereits eine Überwindung. Wenn es sehr heiß oder auch sehr kalt ist, so spüre ich das deutlich. Sogar wenn das Essen zu heiß ist, muss ich inzwischen mit kaltem Wasser nachspülen, denn sonst kann ich kaum noch kauen. Zum Teil verändert sich mein Zustand innerhalb von zwanzig Minuten und ich kann nicht nachvollziehen warum. Diese Änderung vollzieht sich nicht nur im negativen Sinn, sondern durchaus auch im Positiven. Allerdings hat diese Änderung nichts mit den Medikamenten zu tun. Die verschiedenen Körperteile bzw. Gesichtsmuskeln sind oft unterschiedlich beeinträchtigt, so kann es vorkommen, dass ich die Augen recht gut offen halten kann, das Kauen allerdings schwer fällt. Andererseits ist es möglich, dass ich recht gut marschieren, aber den Kopf nicht halten kann. Wenn ich eine längere Wanderung plane, so muss ich mich darauf vorbereiten, dass ich irgendwann unterwegs den Kopf nicht mehr halten kann und diesen dann stützen muss. Gelegentlich habe ich dann ein besonderes Hilfsmittel verwendet und zwar habe ich einen Gurt um den Kopf gelegt und diesen hinten nach unten gezogen, sodass mein Kopf dadurch hochgehalten wird.

Es hat sich gezeigt, dass körperliche Bewegung, auch wenn sie etwas anstrengend ist, sich positiv auf mein Befinden auswirkt. Anscheinend hängt das mit der Durchblutung der Muskeln zusammen.

Überblick über ein Jahr mit der Krankheit

181 Tage Krankenhaus

davon 123 Tage Intensivstation

während dieser Zeit: myastenische Krise, Thymektomie, künstliche Beatmung, Strahlentherapie, Bronchoskopie  

Trotzdem soll man die Hoffnung nie aufgeben.

Im Moment (vier Jahre danach) geht es mir relativ gut, ich habe keine Doppelbilder mehr und kann eigentlich ein mehr oder weniger "normales Leben" führen.

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